Pfarrer Johannes Schiebel - ein tollkühner Visionär
Erschließer der Breitachklamm wäre heuer 150 Jahre alt geworden
Pfarrer Johannes Baptist Schiebel wäre in diesem Jahr 150 Jahre alt geworden. Für den Breitachklammverein ein wichtiger Geburtstag, denn ohne den umtriebigen Geistlichen wäre die Breitachklamm wohl nicht schon in den Anfängen des 20. Jahrhunderts erschlossen worden.
Schiebel war ein Visionär, der schon früh erkannt hatte, dass in dieser gottbegnadeten Landschaft der Tourismus entwickeln müsse, um der Bevölkerung zu Arbeit und einem gewissen Wohlstand zu verhelfen.
1898 zog der in Petersthal geborene Johannes Schiebel als Seelsorger erstmals nach Oberstdorf. Er war als Benefiziat der drei Wallfahrtskapellen von Maria Loretto Seelsorger für die Bewohner der Oberstdorfer Hochtäler geworden. Drei Jahre später, da war der junge Pfarrer 30 Jahre alt, führte sein Weg nach Tiefenbach.
Pfarrer Schiebel wusste damals bereits, dass es Erkundungen über die eventuelle Erschließung der Breitachklamm gab. Im Auftrag des Oberstdorfer Verschönerungsvereins waren Förster Wolfgang Hohenadl und der Brauereibesitzer Karl Richter in einen Teil der Klamm hinabgestiegen. Die beiden erkannten zwar die Schönheit der Klamm, aber die bautechnischen Schwierigkeiten und die Kosten schienen zu aufwändig.
Den Pfarrer aber schreckten die Bedenken nicht. Unaufhaltsam ging er daran, einen Weg zu finden, um das Naturwunder zugänglich zu machen. Heute würde man sagen „Ein wilder Hund“, denn er ließ sich tollkühn an zusammengeknüpften Seilen in den „schaurigen Schlund” hinunter und entdeckte da eine von den Naturgewalten geschaffene Szenerie von grandioser Schönheit.
Der Plan, die Klamm zu erschließen, fand nicht nur Freunde, aber Pfarrer Schiebel hatte gewichtige Mitstreiter an seiner Seite. Der „Verschönerungsverein Obertiefenbach”, der die Planung vorantreiben sollte, wurde gegründet. Es folgten eine Menge von Gesprächen und Verhandlungen über die Wegführung und die Finanzierung. Pfarrer und Bürgermeister mussten 22 Grundbesitzer überzeugen, Gegner mussten beruhigt und unzählige Behördengänge erledigt werden, Enttäuschungen inklusive.
All die Rückschläge konnten die Planer nicht entmutigen. Pfarrer Schiebel suchte nun den Schulterschluss mit dem Oberstdorfer Verschönerungsverein und fand in dessen Vorstand Hofrat Dr. Ulrich Reh und einer Reihe von Mitgliedern Verbündete. Der „Breitachklammverein” wurde 1904 von 44 Mitgliedern aus der Taufe gehoben. Trotz der hohen Einlage von 500 Goldmark und Haftung für 600 Mark pro Mitglied erhielt der Verein noch laufend Zuwachs neuer Mitglieder.
Weil einheimische Firmen vor den Risiken zurückschreckten, verhandelte Pfarrer Schiebel auch mit ausländischen Firmen und schließlich übernahm der Südtiroler Johann Lucian aus Primiero den Auftrag.
1904 begannen die Arbeiten. Bis zu 20 Mann waren während des ganzen Herbstes und den Winter über in der Klamm beschäftigt. Mit 7.000 Sprengschüssen haben die Mineure den Weg in den Fels getrieben. Ein großes Fest war die feierliche Eröffnung der Klamm am 5. Juni 1905.
Lang konnte Schiebel sich nicht freuen an dem Naturdenkmal vor der Kirchentüre. 1908 wurde er nach Vorderburg versetzt und ab 1922 betreute er dann die Pfarrei St. Michael in Schöllang. Für den Breitachklammverein aber war es selbstverständlich, dass die 1931 erbaute „Klammkapelle“ ihre Weihe von dem Pfarrer erhielt, dem die Tiefenbacher so viel verdankten. 1936 ging Schiebel in den Ruhestand und wählte Reichenbach als Alterssitz. Als 83-Jähriger nahm er noch am 50. Jubiläum der Klamm teil und mit 90 Jahren besuchte er noch ein letztes Mal „seine“ Klamm. Mit fast 92 Jahren starb er 1963 und wurde auf dem Schöllanger Burgfriedhof begraben.